Selen ist ein chemisches Element mit dem Symbol Se und der Ordnungszahl 34. Es gehört zur Gruppe der Chalkogene (Gruppe 16 des Periodensystems) und steht dort zwischen Schwefel (S) und Tellur (Te). In seiner Reinform ist Selen ein Halbmetall, das sowohl metallische als auch nichtmetallische Eigenschaften besitzt. Es ist ein relativ seltenes Element in der Erdkruste, kommt jedoch in geringen Mengen in vielen Schwefelerzen und Mineralien vor.
Der Name „Selen“ stammt aus dem Griechischen Wort selene (σελήνη), was „Mond“ bedeutet. Es wurde 1817 von dem schwedischen Chemiker Jöns Jakob Berzelius entdeckt, als er Schwefelrückstände aus einer Schwefelsäurefabrik untersuchte und ein neues Element fand, das dem Tellur ähnlich war.
Selen kann in verschiedenen Modifikationen vorkommen, die sich deutlich in Farbe, Struktur und elektrischer Leitfähigkeit unterscheiden. Die wichtigsten sind:
Amorphes Selen: ein rotes bis braunes Pulver ohne regelmäßige Kristallstruktur.
Rotes kristallines Selen: entsteht beim Erhitzen oder Umkristallisieren; zeigt glasartige Eigenschaften.
Graues metallisches Selen: die stabilste Form bei Raumtemperatur. Es besitzt eine hexagonale Kristallstruktur und ist ein guter Halbleiter.
Graues Selen hat eine Dichte von etwa 4,8 g/cm³ und einen Schmelzpunkt von 217 °C. Es ist spröde, glänzend und zeigt eine interessante Eigenschaft: seine elektrische Leitfähigkeit steigt mit zunehmender Lichtintensität – ein Effekt, der als Photoleitfähigkeit bezeichnet wird. Diese Eigenschaft machte Selen zu einem wichtigen Material in der Frühzeit der Fotozellen und Belichtungsmesser.
Selen kann in verschiedenen Oxidationsstufen auftreten, meist als −2, +4 oder +6.
In der Stufe −2 bildet es Selenide (Se²⁻), die analog zu Sulfiden sind, z. B. Natriumselenid (Na₂Se).
In der Stufe +4 tritt es in Selen(IV)-oxid (SeO₂) auf, einem weißen, flüchtigen Feststoff mit stechendem Geruch.
In der Stufe +6 kommt es in Selenaten (SeO₄²⁻) vor, die dem Sulfat ähnlich sind.
Selen reagiert mit Wasserstoff zu giftigem Selenwasserstoff (H₂Se) – einem Gas mit starkem, unangenehmen Geruch. Mit Metallen bildet es stabile Verbindungen, und mit Sauerstoff reagiert es zu Selenoxiden.
Selen kommt in der Natur nicht elementar, sondern meist als Begleitstoff von Schwefel in sulfidischen Erzen (z. B. Kupfer-, Nickel- oder Bleierze) vor. Es ist also ein Nebenprodukt der Metallverhüttung, besonders bei der Kupferraffination.
Bei der elektrolytischen Raffination von Kupfer sammelt sich Selen im sogenannten Anodenschlamm, aus dem es durch chemische Verfahren gewonnen wird. Die jährliche Weltproduktion liegt bei rund 3.000–4.000 Tonnen.
Selen hat eine Vielzahl technischer und biologischer Anwendungen:
Elektronik und Halbleitertechnik
Aufgrund
seiner photoleitenden Eigenschaften wurde Selen in der Vergangenheit
in Fotozellen, Solarzellen und Belichtungsmessern
eingesetzt. Heute wurde es weitgehend durch effizientere Materialien
wie Silizium ersetzt, hat aber immer noch Spezialanwendungen.
Glas- und Keramikindustrie
Selen wird
als Entfärbungsmittel für Glas verwendet, um den
grünlichen Farbton (durch Eisenverunreinigungen) zu neutralisieren.
Außerdem dient es als Rotfärbemittel in Glas und
Emaille.
Legierungen und Metallurgie
In kleinen
Mengen zugesetzt, verbessert Selen die Bearbeitbarkeit von
Stahl und wirkt in Kupferlegierungen korrosionshemmend.
Chemische Industrie
Selenverbindungen
werden in Pigmenten, als Katalysatoren und in der
Photokopie-Technik verwendet.
Biologische Bedeutung
Selen ist ein
essenzielles Spurenelement für Mensch, Tier und
Pflanzen. Es ist Bestandteil wichtiger Enzyme wie
der Glutathionperoxidase, die Zellen vor oxidativem
Stress schützt. Ein Mangel kann zu Muskelschwäche, Herzproblemen
oder Immunstörungen führen. Allerdings ist die Grenze
zwischen notwendiger und toxischer Dosis sehr schmal:
bereits geringe Überdosierungen können zu Selenvergiftungen führen
(Symptome: Haarausfall, brüchige Nägel, Knoblauchgeruch des
Atems).
Selen ist lebensnotwendig, aber in zu hohen Konzentrationen giftig. Die empfohlene tägliche Aufnahme für Erwachsene liegt bei etwa 55–70 µg. In der Umwelt spielt Selen eine komplexe Rolle: Es kann sich in Böden und Pflanzen anreichern, wobei manche Pflanzenarten (z. B. Astragalus-Arten) große Mengen Selen speichern und dadurch für Tiere giftig werden.
Bei industrieller Verwendung muss darauf geachtet werden, dass keine giftigen Selenverbindungen (insbesondere H₂Se) in die Umwelt gelangen.
Selen zeigt eine enge chemische Verwandtschaft zu Schwefel und Tellur.
Es wird in Photokopierern (Xerographie) verwendet, da es Ladungen unter Lichteinfluss ableitet.
In der Medizin wird es in Form von Selenhefen oder Natriumselenit als Nahrungsergänzungsmittel verwendet.
Länder mit selenarmen Böden, wie Teile Europas, haben oft eine niedrigere durchschnittliche Selenaufnahme als z. B. Nordamerika.
Selen (Se) ist ein faszinierendes Halbmetall mit vielseitigen Eigenschaften. Es verbindet Aspekte von Chemie, Physik, Technik und Biologie. Seine photoleitende Fähigkeit machte es zu einem Pioniermaterial der frühen Elektronik, und seine biochemische Bedeutung macht es zu einem lebenswichtigen Spurenelement. Gleichzeitig erinnert Selen daran, dass in der Natur der Übergang zwischen nützlich und gefährlich oft fließend ist – ein perfektes Beispiel für die Balance chemischer Elemente im Leben und in der Technik.